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Holocaust-Überlebende Mala Tribich schildert ihre Erlebnisse

„Heute ist ein denkwürdiges Datum für mich“, so begann die Zeitzeugin Mala Tribich am 01.09.2022 das Gespräch, das sie mit den bilingualen Geschichtskursen des zehnten bis zwölften Jahrgangs führte. Rund eine Stunde erzählte sie ihre Geschichte als Überlebende eines Ghettos und zweier Konzentrationslager: „Alles fing am 01.09.1939 an, als die deutsche Armee Polen überfiel und der Zweite Weltkrieg begann“.

Genau 83 Jahre später empfing das HBG Mala Tribich, eine 92-jährige Zeitzeugin dieser dramatischen Epoche. Von außen betrachtet wirkt die ehemalige Gefangene des Konzentrationslagers Bergen-Belsen trotz ihres Alters wie eine jung gebliebene, agile Frau. Sie war aus London angereist um sich mit weiteren Überlebenden des KZ Bergen-Belsen zu treffen und  nutzte die Gelegenheit, vorher unsere Schule zu besuchen. Es ist ihr wichtig, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen.

Mala beginnt mit ihren Erzählungen in ihrem Geburtsland, Polen. Nachdem sie zuerst mit ihrer Schwester Lusia, ihrem Bruder Ben und ihren Eltern vor den deutschen Soldaten floh, indem sie sich tagsüber versteckten und nachts im Dunkel des Waldes umherzogen, wurden sie in das jüdische Ghetto ihrer Heimatstadt Piotrków Trybunalski gebracht. Nach kurzer Zeit wurden die neunjährige Mala und ihre Cousine Idzia in eine christliche Familie in Czestochowa gebracht, um sie vor den Auswirkungen des Krieges zu schützen. Lebhaft erzählt Mala Tribich, wie sie an verschiedensten Orten im Haus versteckt wurde, wenn es an der Tür klingelte. „Ich musste mich sogar einmal in einer Schublade verstecken“, erinnert sie sich. Als Einzelkind, in einer sehr ungewohnten Situation, bat Idzia immer wieder zu ihrer Familie zurückkehren zu dürfen. Schließlich wurde sie an Bekannte übergeben. Ab diesem Zeitpunkt war Mala allein in der Familie. Als sie schließlich auch zurück zu ihrer Familie zurückkehren durfte, erfuhr sie, dass ihre Cousine nie zu Hause angekommen war. Bis heute sei unklar, was mit Idzia geschah.

Viele Familienmitglieder, auch ihre Schwester und ihre Mutter, mussten das Ghetto verlassen und wurden erschossen. Die nun 12 Jahre alte Mala war, als letzte weibliche Person der engeren Familie, verantwortlich für die fünfjährige Cousine Hania. Im Zuge der Liquidation des Ghettos sollten die beiden Kinder in ein Konzentrationslager deportiert werden. Mala erzählt, dass sie bis heute nicht weiß, wie sie das Selbstbewusstsein dazu hatte, einen SS-Aufpasser zu bitten, zu ihrem Vater und ihrem Bruder in das Ghetto zurückkehren zu dürfen. Überraschenderweise wurde es ihnen gestattet, sodass sie bis November 1944 im Ghetto blieben, bis sie letztendlich doch in das KZ Ravensbrück und zweieinhalb Monate später in das KZ Bergen-Belsen gebracht wurden.

Die Zustände in den Zügen und in den Lagern sind schwer vorstellbar und die damit einhergehenden Herausforderungen, vor allem für so junge, für sich selbst verantwortliche Kinder, scheinen unannehmbar. Erstaunlicherweise hatte Mala zum wiederholten Male das Selbstbewusstsein, im Lager Bergen-Belsen nach der „Kinder-Baracke“ zu fragen. „Ich hatte sehr viel Glück“, erzählt sie. Sie waren dort bis zur Befreiung am 15. April 1945 untergebracht.

Die 14-jährige Mala und ihre Cousine Hania wurden nach der Befreiung des Lagers, wie viele weitere junge Überlebende, nach Schweden gebracht. Dort nahm sie Kontakt zu ihrem Bruder auf, der inzwischen in England war. Ihr Vater sowie die meisten Familienmitglieder haben das Ende des Krieges nicht erleben dürfen. Schließlich zog sie nach England und lernte dort ihren Mann kennen, mit dem sie eine eigene Familie gründete.

Mala Tribich ist es wichtig, keinen Namen auszulassen und keine Person zu übersehen und möchte durch die Übermittlung ihrer Geschichte einen Beitrag zur Aufklärung des Holocausts leisten. Im Anschluss ihrer Erzählung waren die Zuhörenden eingeladen, Fragen zu stellen, die ausführlich und aufschlussreich beantwortet wurden. Mit ihrem Zeugnis hat sie einen großen Eindruck hinterlassen, der in Erinnerung bleiben wird und durch keine indirekte Übermittlung ersetzt werden könnte.

 

Text: Kyra Hamann und Milo Colista, Q1

Foto: Daniela Bracher